Ein gemeinsames Mars-Beobachtungsprojekt

Juni – September 2003

Zum Abschluß eines kleinen Beobachtertreffens Anfang Mai des Jahres vereinbarten wir – Matthias Juchert aus Brandenburg und Robert Korn im Oberallgäu - Mars in der bevorstehenden Oppositionsperiode

·         zu beobachten,

·         jeweils eine Serie von Zeichnungen anzufertigen,

·         die Erfahrungen und Ergebnisse auszutauschen und gemeinsam auszuwerten.

Wir verständigten uns schnell auf die Verwendung einer einheitlichen Zeichenschablone und begannen dann alsbald im Mai – erstmalig anläßlich der MoFi am 16.5.- mit den Beobachtungen; unter in jeder Hinsicht recht unterschiedlichen Bedingungen:

Matthias beobachtete von seinem Wohnort Lehnin auf 52° nördlicher Breite mit seinem 2,5“ ZEISS-Refraktor aus DDR-Produktion auf Original-Montierung mit Nachführung von Hand. Er  fertigte so im Zeitraum von Mai – September zahlreiche Zeichnungen des roten Planeten an, die im großen und ganzen eine komplette Rotation abdecken.

Robert begann seine Beobachtungsserie am 23. Juni auf 44° nördlicher Breite in Italien und konnte dort von der anhaltenden Hochdrucklage fast ununterbrochen bis Anfang August profitieren. Aus dieser Zeit im Hinterland der italienischen Riviera resultieren 20 jeweils in den frühen Morgenstunden gefertigte Zeichnungen. Er beobachtete mit seinem von dem bekannten Sonnenbeobachter Jürgen Banisch, Nürnberg, gebauten 5“ FH-Refraktor mit dem altmodischen Öffnungsverhältnis von f/14. Das für Sonnenbeobachtungen konzipierte Gerät erwies sich als ausgesprochen planetentauglich und es wurde immer mit 200-facher Vergrößerung auf der nachgeführten GP-DX-Montierung beobachtet. Nach der Rückkehr aus Italien setzte Robert dann seine Beobachtungen im Oberallgäu auf 47° nördlicher Breite von seinem festen Platz auf 1000 m Höhe mit einem betagten C8 orange dann regelmäßig mit Binokular-Ansatz bei 170x  fort. Insgesamt hat er so 37 Zeichnungen zusammentragen können, die die Planetenoberfläche –mit einer Lücke zwischen ZM 74° und ZM 113° so wie gesehen recht dicht abdecken.

Die Zeichnungsserien sind komplett auf der homepage von Matthias www.serifone.de und Roberts Zeichnungen auf dessen hp www.astrobert.de einzusehen,

#

Nachfolgend zunächst eine ausgewählte Gegenüberstellung einiger unter den geschilderten Umständen von den Beobachtern gemachten Zeichnungen der Beobachter, wobei jeweils der nämliche ZM des Planeten als Referenz gewählt wurde.

Es bleibt festzuhalten, daß unbeschadet der sehr unterschiedlichen Beobachtungsbedingungen und unter Berücksichtigung der evident verschiedenen Zeichenstile der Beobachter erhebliche Übereinstimmungen nicht nur in den groben, sondern auch in der Wahrnehmung feinerer Details festzustellen sind:

 

                         
5" f/14: ZM 11° am 20. Juli 03 2,5" ZM 9° am 13.Juli 03
5" f/14: ZM 50° am 16. Juli 03 2,5" ZM 56° am 16.August 03
5" f/14: ZM 172° am 3. Juli 03 2,5" ZM 179° am 6. August 03
5" f/14: ZM 343° am 23. Juli 03 2,5" ZM 338° am 20. August 03

Es erweist sich auch, daß Roberts vorteilhaftere Beobachtungsbedingungen: mindestens doppelte Öffnung, größere Höhe des Planeten, nachgeführte Montierung- durchaus nicht in linear besseren Ergebnissen resultieren. Vielmehr ist es sehr bemerkenswert, was ein- allerdings erfahrener Beobachter wie Matthias- mit einem zugegeben vorzüglichen kleinen Refraktor unter nicht optimalen Bedingungen sehen konnte.

#

An erster Stelle stand für uns –beide erstmalige Mars-Oppositionsbeobachter – zunächst, die Oberfläche des Planeten nach und nach vollständig zu beobachten und dann zu versuchen, das Gesehene in einer Gesamtkarte zusammenzufassen.
Ein weiterer Schwerpunkt ergab sich dann im Lauf des Monats Juni aus den Beobachtungen von selbst – nämlich das Phänomen einer variablen Südpolarkappe. Die zeigte nicht nur ihre Verringerung, sondern höchst überraschend strukturelle Unregelmäßigkeiten: Buchten, Brücken, auch punktuelle und flächige Helligkeitsspitzen. So konnte selbst mit 2,5“ „novus mons“ identifiziert und zahlreiche Unregelmäßigkeiten beobachtet werden!

Zum Beispiel:

Diese Zeichnung fertigte Matthias am 20. Juli 03 mit 130- bzw. 190- facher Vergrößerung an seinem, 2,5" Refraktor unter Verwendung eines # 80A hellblau-Filters und eines #21 orange-Filters an. Sie zeigt eine auffällige helle Stelle in der SPC.
Auf dieser am 30. Juli von Matthias wieder am 2,5"-ZEISS bei 190x gefertigten Zeichnung mit ZM 246° ist deutlich eine dunkle Stelle in der SPC zu erkennen - und als die auffällig helle Stelle in der SPC konnte novus mons identifiziert werden!
Am 19. Juli machte Robert mit dem 5" Refraktor diese Zeichnung bei 200-facher Vergrößerung und #80A hellblau-Filter, die den Planeten mit ZM 20° und deutlichen Dunkelstrukturen in der SPC zeigt. Schön detailliert auch die "Doppelkralle" des sinus sabaeus.

Leider – und da offenbart sich ein Defizit an Beobachtungserfahrung – haben wir es versäumt, Messungen an der SPC durchzuführen: namentlich die Verringerung deren Ausdehnung mittels Fadenkreuzokular und Stoppuhr zu verfolgen. Bei den gehabten Sichtbarkeitsbedingungen und der Vielzahl der Beobachtungen hätten sich auch bei unserer überschaubaren instrumentellen Ausstattung brauchbare Ergebnisse erzielen lassen sollen – à la prochaine...

Das erste gesetzte Ziel konnte insofern erreicht werden, als Robert Mitte September eine Mars-Gesamtkarte erstellen konnte, die einigermaßen mit den aus besseren Quellen bekannten Einzelheiten der Oberfläche korreliert:


#

Aufschlußreich waren die Beobachtungen auch im Hinblick auf Beobachtungstechniken. So stimmen wir beide darin überein, daß zur Wahrnehmung weniger intensiver Oberflächenstrukturen die bekannte Methode des indirekten Sehens, namentlich des schnellen Wechsels zwischen direktem und indirektem Sehen sehr hilfreich ist. Wir möchten so weit gehen, einen gewissen „Abreiß-Effekt“ zu postulieren, der sich darin zeigt, daß schwache, unsichere Details in dem Moment kurz wahrgenommen werden, in dem man das Auge vom Okular löst – beim nächsten Einblick wird man dann u.U. in der Lage sein, das aufgeblitzte Detail zu fixieren.

Während Robert sich bei den Beobachtungen mehr auf dunkle Strukturen und deren Begrenzung konzentrierte, war Matthias häufiger in der Lage, sowohl atmosphärische Details als auch schwache flächige Strukturen wahrzunehmen, etwa Wolkenschleier am Terminator oder Helligkeitsabstufungen in hellen Gebieten. Beide stimmen wir darin überein, daß der standardmäßig empfohlene Orange-Filter keinen großen Gewinn bringt, lediglich ohnehin Gesehenes verstärkt. Nachdem wir einige Filter ausprobiert haben, sind wir unabhängig voneinander zu dem Schluß gekommen, daß ein #80A hellblau-Filter am Mars am nützlichsten war.

Zugleich hat sich Mars als ein bevorzugtes Refraktor-Objekt erwiesen: nachdem Robert aus Italien zurückgekehrt von August an mit seinem C8 beobachtete, mußte er völlig zweifelsfrei feststellen, daß der SC die Kontrastleistung des 5“ f/14 nur dann erreichte, wenn mit Binokular-Ansatz beobachtet wurde. Die der größeren Öffnung des C8 geschuldete bessere Auflösung konnte bei monokularer Beobachtung mangels Kontrastleistung nicht ausgenutzt werden.

#

Natürlich haben wir die Aktivitäten anderer Amateure in den maßgeblichen Internet-Foren aufmerksam verfolgt. Es hat sich da schnell gezeigt, daß die „Bleistift-Gilde“ nur eine kleine Truppe ist, die sich dieser altmodischen Technik noch bedient. Soweit wir das sehen, haben nur vier Beobachter regelmäßig zeichnerisch berichtet – außer uns nur noch Cai-Uso Wohler mit vorzüglichen Beiträgen und als newcomer Sebastian Johnke. Indessen sind wir auch bei selbstkritischer Würdigung der jeweiligen Ergebnisse durchaus der Auffassung, daß die mit vergleichsweise geringem instrumentellen und zeitlichem Aufwand gewonnenen Bilder auch in puncto Detailfülle den Vergleich mit webcam-Aufnahmen nicht zu scheuen brauchen.

Außerdem meinen wir, daß die zeichnerische Befassung mit dem beobachteten Objekt das Sehen schult – und zur beobachterischen Disziplin und Sorgfalt erzieht. So schön webcam- und CCD-Bilder sind, für einen ernsthaft interessierten Betrachter sind sie nur von beschränktem Wert, wenn –wie häufig festzustellen – nicht nur Angaben zum ZM, sondern oft sogar auch zum Aufnahmezeitpunkt fehlen...

Und jetzt? Jetzt warten wir auf die Jupiter-Sichtbarkeitsperiode!