Ein Meßempfänger für solares Rauschen auf 11,2GHz
Wie
bereits ausführlich beschrieben, interessiere ich mich seit
geraumer Zeit für diejenige Strahlung der Sonne, welche im
nicht-sichtbaren Bereich stattfindet. Die Sonne ist ein
starker und kontinuierlicher Radio-Strahler auf allen höheren
Frequenzen. Nachdem ich mit dem hier früher vorgestellten
Projekt "Solares Rauschen im 6m-Band" nicht recht weiterkam
- es gab zu viele Störquellen von Motorsteuerungen, Wandlern,
LED-Leuchten und, und und... - habe ich die sehr kleinen Wellenlängen
aufgesucht: Nämlich den Bereich um 3cm Wellenlänge,
entsprechend einer Frequenz von rund 11 Gigahertz. Vor 20 Jahren noch
hätte die Beschaffung der dazu erforderlichen Gerätschaften
einen sehr erheblichen Aufwand bedeutet: Diese Frequenzen wurden
seinerzeit nur zu Ortungs (Radar) und militärischen
Nachrichtenübermittlungszwecken genutzt. Und ja, ein paar
Amateurfunker dazwischen...
Mittlerweile ist dieser
Wellenbereich jedoch Allgemeingut geworden - er dient dem
"Satellitenfernsehen"; die zum Empfang erforderlichen
"Schüsseln" hängen an jeder Hauswand, sie und die
Verbindungskomponenten sind als preiswerte Massenware in jedem
Heimwerker- oder Elektronikmarkt erhältlich.
Uns
Radioastronomie-Amateure interessiert allerdings nur das Maß
des Rauschens, eine weitergehende Aufbereitung des informationslosen
Signals ist weder erforderlich noch sinnvoll. Auch die für den
Empfang von Satellitenfernsehen wesentlichen Parameter Bandbreite und
Polarisation spielen allenfalls insoweit eine Rolle, als sich so
externe Störungen durch technische Quellen in der Umgebung
vermeiden oder reduzieren lassen. Weiterhin ist es -im Gegensatz zu
fernseh-geeigneten handelsüblichen Empfängern- höchst
unerwünscht, eine automatische Verstärkungsregelung zu
haben, da gerade die unverfälschte Stärke des Rauschsignals
mit seinen Variationen interessiert.
Nach alledem ist es klar,
daß ein spezieller Empfänger erforderlich ist, der gewiß
nicht aus dem Regal vom Elektronikmarkt gezogen werden kann.
Nun gibt es spezielle Empfänger zu durchaus noch erschwinglichen Preisen, die ausschließlich auf die speziellen Anforderungen der radioastronomischen Sonnenanbeter zugeschnitten sind und anschlußfertig geliefert werden. Aus dem schmalen Angebot habe ich mich für ein Produkt der Fa. Radioastrolab in Ancona/Italien entschieden, den RAL10 AP. Wer sich dafür interessiert, der findet alle technischen Angaben und Anwendungsvorschläge auf der informativen Homepage des Herstellers in englischer Sprache:
http://www.radioastrolab.com/products/our-products-for-radio-astronomy
Meine
Empfangsstelle ist aktuell so aufgebaut:
Die 90cm
Parabolantenne mit no-name offset LNB (60dB Verstärkung bei
0,5dB Eigenrauschen lt. Datenblatt) ist auf eine ältere
Gabelmontierung gesetzt, die früher mal ein C8 getragen hat.
Ursprünglich hatte ich geplant, die „Schüssel“
nachzuführen, dazu ist es aus zwei Gründen nicht gekommen.
Zunächst ging die Motorelektronik defekt – und einen
Ersatz für das 30 Jahre alte Teil habe ich nicht auftreiben
können. Weiter stellte es sich bald heraus, daß die Gabel
für einen nachgeführten Betrieb nicht hinreichend stabil
war. Inzwischen bin ich schließlich noch um die Erkenntnis
reicher, daß Nachführung neue Schwierigkeiten birgt: Die
Sonne wird das LNB im Fokus nach einiger Zeit so weit aufheizen, daß
nicht nur die Aufzeichnung verfälscht wird, sondern sogar eine
Zerstörung des Empfängerhorns zu besorgen steht. Also lasse
ich es bei Transit-Aufzeichnungen bewenden.Ich habe die Gabel daher
azimutal aufgestellt und führe so nur Aufzeichnungen von
Meridianpassagen durch.
Das
LNB ist über normales Satkabel 75Ohm mit dem Eingang des RAL
10AP Empfängers verbunden. Die Länge des Kabels beträgt
bei mir knapp 10m, die Dämpfungsverluste sind im Rahmen und ich
habe daher davon abgesehen, noch einen Leitungsverstärker (LNA)
einzuschleifen.
Die Stromversorgung des LNB wird ebenso wie die
Steuersignale für das Umschalten der Polarisation (wenn
überhaupt nötig...) vom Empfänger bereitgestellt, sehr
praktisch.
Das
LNB setzt ja bereits das Empfangssignal von 11,2GHz auf 1,4GHz um,
die dann vom Empfänger weiter verarbeitet werden. Der Empfänger,
ein handliches Kästchen mit 12V DC Anschluß bereitet das
Rauschsignal intern soweit auf, daß der Signalpegel schließlich
nach einem implementierten Analog-Digitalwandler über USB
ausgegeben und von der mitgelieferten Software "ARIES" im
Rechner ausgelesen und gespeichert werden kann. Die einzelnen
Parameter, wie Nachverstärkungsfaktor, Samplingrate,
Integrationsfaktor und 0-Referenz lassen sich mit der mitgelieferten
Software regeln bzw. voreinstellen.
Weiter steht ein
Analog-Ausgang zur Verfügung, über den das Signal etwa der
Soundkarte zugeführt und von Programmen wie "spectrumlab"
verarbeitet werden kann. So ist es auch möglich, diesen
Signalausgang einem Datenlogger einzuspeisen und die von dem
erzeugten .csv-Dateien zu bearbeiten.
Es ist auch ohne
weiteres möglich, die von ARIES erzeugten Textfiles mit einem
der gängigen Tabellenkalkulationsprogramme auszulesen und zu
bearbeiten.
Hier -mit freundlicher Genehmigung der Herstellerfirma Radioastrolab Ancona/Italien- das von ihr erstellte Blockschema des Empfängers, welches dem Kundigen weiteren Aufschluß geben wird.
Der Analog-Ausgang ist derjenige mit BF Out bezeichnete.
Anmerkung dazu: Der RAL 10AP ist für eine Eingangsfrequenz von 1.415 +/- 25Mhz ausgelegt. Die kriegt er entweder als 1. Zwischenfrequenz runtergemixt vom NLB - oder er empfängt- zusätzliche Vorverstärkung vorausgesetzt - direkt. Und dann arbeitet er als Empfänger auf 1.420 MHz - das ist die berühmte 21cm-Wasserstoff-Linie. Dazu braucht es allerdings andere Antennen als einen 80cm-Offsetspiegel. In diesem Fall sind ein Wendelantennen-Array oder eine 3m-Schüssel angezeigt - und das ist dann gleich eine ganz andere Liga. Jedenfalls: Das Gerätchen hat das Potential zu "Höherem"...
Ein Problem war mir die Positionierung der Empfangsantenne. Das Empfängerhorn -LNB- ist ja "offset", sodaß ich auf der Suche nach dem Zentralgestirn zunächst einigermaßen im Himmel herumgestochert habe. Zwar ist bei Sonnenschein der Azimut anhand des Schattenwurfs auf die Schüssel klar - sofern man unterstellt, daß Schüssel und LNB nicht "schielen".
Zur Ermittlung der Höhe habe ich ein Fadenkreuz über die Halbachsen gespannt und mir nach mehrmaligem Ausprobieren des Pegel-Maximums einige Markierungen auf die Schüssel gemacht, auf denen der Schattenwurf der Fäden zu liegen hat, wenn die Sonne bestmöglich "eingefangen" ist.
Nachdem
ich dann noch dafür gesorgt habe, daß die Montierung
einigermaßen zuverlässig eingenordet ist, kann ich
inzwischen auch bei bedecktem Himmel nach einem inzwischen recht
zuverlässig justierten Höhen-Teilkreisen den
Meridiantransit der Sonne aufsuchen.
Mittlerweile sind mir recht brauchbare Aufzeichnungen des Signalpegels der passierenden Sonne gelungen, das sieht dann so aus:
Aus
den aufgezeichneten Glockenkurven läßt
sich der Öffnungswinkel und damit das Auflösungsvermögen
der Empfangsanlage berechnen. Von "Fußpunkt" zu
"Fußpunkt" verfließen 20 Minuten, also 1.200
Sekunden. Umgerechnet ins Bogenmaß ergibt das nach der
bekannten Formel fürs Gesichtsfeld = t x 15,04111 x (cos Dek),
also
1.200" x 15,04111 x 0,917 (cos -23,5°) =
16.551".
16.551 / 3600(sec/h) = 4,6° Öffnungswinkel.
Lege ich - wie in der Antennentechnik üblich - den zeitlichen Abstand von 10 Minuten zwischen den 3dB-Punkten zugrunde , so ergibt sich sogar ein Öffnungswinkel von nur 2,3° .
Ich mache, sofern es nicht regnet oder schneit (Niederschlag dämpft die Signalstärke ganz erheblich) wöchentlich eine Transit-Aufzeichnung.
Indessen
ist die Angabe des Pegels in "counts", wie ihn ARIES
liefert, unbefriedigend. Diese Angaben lassen sich nicht mit
Messungen Dritter vergleichen, auch ist der Vergleich mit vorgängigen
eigenen Ergebnissen fragwürdig, da die Rahmenbedingungen -
Temperatur, Bewölkung, Vorlaufzeit des Empfängers -
differieren werden. Es müssen daher Methoden und Routinen
gefunden werden, die sowohl eine Kalibrierung als auch die Ausgabe
vergleichbarer Werte ermöglichen. Üblicherweise werden in
der Radioastronomie Pegelwerte in °Kelvin Antennentemperatur
angegeben. Was nichts mit deren tatsächlicher Temperatur -etwa
+15°C- zu tun hat... sondern ein vergleichbares Maß für
das durch thermische Elektronenbewegung verursachte Rauschen
darstellt.
Das im Einzelnen darzulegen, ist hier nicht der Ort.
Zumal ich dazu wenig Eigenes vorstellen, sondern nur drittes Wissen
präsentieren könnte. Der Interessierte mag daher auf der
Internetseite der Fa. radioastrolab
http://www.radioastrolab.com/products/our-products-for-radio-astronomy
nachsehen, wo eine praxisnahe Methode zur
Kalibrierung der Empfangsanlage und zur Umrechnung der "counts"
in °K Antennentemperatur vorgestellt wird. Die dort vorgestellte
Formel läßt sich ohne weiteres in ein Excel-Rechenblatt
umsetzen, sodaß man nach Eingabe der vier Parameter:
Umgebungstemperatur,
"counts" Umgebung,
"counts" Sky und
"counts" Sonne
die
jeweilige Antennentemperatur ausgegeben erhält.
Inzwischen habe ich erste Reihen von Transit-Aufzeichnungen bei "ruhiger Sonne" zusammenstellen können.
Hier
die resultierende Graphik seit Oktober 2019
Der
durchschnittliche Wert liegt bei 650°K, das soll nach Meinung von
Leuten, die das Metier schon länger als ich betreiben, im Rahmen
des für eine derartige Anlage zu Erwartenden liegen.
Es hat den Anschein, daß die Antennentemperatur eine zunehmende Tendenz zeigt. Bei aller Zurückhaltung gehe ich mal davon aus, daß eine derartige Tendenz ihre Ursache nicht im beginnenden 25. Aktivitätszyklus, sondern in den jahreszeitbedingt größeren Meridianhöhen der Sonne hat. Man wird sehen...